KREDITGESCHÄFT: WIE BANKEN BEI DER DIGITALISIERUNG VON FINTECHS PROFITIEREN

KREDITGESCHÄFT : WIE BANKEN BEI DER DIGITALISIERUNG VON FINTECHS PROFITIEREN

  • Christoph Schupp (Capco), Martin Wihnaleck (Younited)
  • Published: 22 September 2022

 

Gemeinsam mit dem Kredit-Fintech Younited beleuchtet Capco in diesem Blogbeitrag zwei konkrete Themenfelder aus der diesjährigen Kreditstudie, bei denen Banken von einer Zusammenarbeit mit Fintechs profitieren können.

Eine Möglichkeit für eine Bank, schnell auf veränderte Kundenbedürfnisse zu reagieren und neue Technologien zu nutzen, besteht in der Zusammenarbeit mit Fintechs. Diese haben entlang der Kreditwertschöpfungskette Lösungen entwickelt, die es Banken ermöglichen, Kunden schnell und mit vergleichsweise wenig Aufwand (digitales) Kreditgeschäft anzubieten oder die bestehende Kreditprozesslandschaft zu optimieren.

In der im Juli 2022 veröffentlichten Capco-Studie zum Kreditmanagement im Wandel der Digitalisierung ergaben sich im Hinblick auf Partnerschaften zwischen Banken und Fintechs im Kreditgeschäft eine interessante Beobachtung: Im Vergleich zur Studie aus dem Jahr 2020 hat sich der Anteil an Kooperationen zur Erweiterung des Produktangebots um 12 Prozentpunkte verringert, währenddessen Partnerschaften zur Optimierung der internen Wertschöpfungskette um 9 Prozentpunkte gestiegen sind.

Die Studie verdeutlicht auch, dass sich  die Kundenbedürfnisse mit zunehmender Digitalisierung immer weiterentwickeln. Durch den befürchteten Eintritt von Bigtechs (Apple, Microsoft, Amazon etc.) in den Kreditmarkt steigt der Druck auf die Banken, den Anschluss beim Thema Kundenerlebnis nicht weiter zu verlieren.

 

Hebelung des Potenzials modularer Prozessstraßen durch “Productization” im Kreditgeschäft

Viele Banken arbeiten nach wie vor ohne modulare Prozessstraßen (Ergebnis 10 der aktuellen Studie). Dies erschwert die effektive Verbesserungen von Teilprozessen. Fintechs arbeiten dagegen in der Regel mit modularen Prozessstraßen, um den Kreditprozess kontinuierlich zu optimieren und um Produktinnovationen mit kurzer Markteinführungszeit zu entwickeln. Dies ist die Grundvoraussetzung, um sich am Markt differenzieren zu können. Viele Fintechs wie Younited, die neben klassischen Banken auch mit Bigtechs wie Microsoft zusammenarbeiten, setzen in diesem Kontext auf „Productization“, um z. B. die hohen Anforderungen der Bigtechs an die User Experience Ihrer Kunden zu erfüllen.

Productization geht einen Schritt weiter und meint die Umwandlung von Teilprozessen in konkrete Produkte. Neben der technischen und  organisatorischen Abgrenzung einzelner Teilprozesse geht hiermit ein strategischer Managementansatz zur kontinuierlichen Verbesserung der gesamten Kreditwertschöpfungskette einher. Aus diesem Produktkonzept entstehen so neue Produkte, die losgelöst vom Gesamtprodukt optimiert und insbesondere separat vermarktet werden können. So werden neben der reinen Optimierung von Teilprozessen  auch neue Ertragspotenziale erschlossen, die die Gesamtprofitabilität im Kreditgeschäft verbessern kann.

Nach fortschreitender Optimierung des eigenen Direktgeschäfts bietet Younited beispielsweise seine digitale Kreditplattform anderen Partnern ganz oder in Teilen an. Die Kooperationsmöglichkeiten sind vielfältig und reichen von traditionellen Banken und Versicherungen bis hin zu Fintechs, Bigtechs und E-Commerce-Händlern.

Die Partner profitieren unmittelbar von der  kontinuierlichen Weiterentwicklung der eigenen Teilprodukte. Möglich macht dies der Plattformansatz in Kombination mit standardisierten Produkten. Die Effektivität des Kreditprozesses erhöht sich somit für den Partner automatisch, ohne eigene Entwicklungskosten. Während viele Fintechs bereits neue Ident-Verfahren wie BankIdent, Robo-Ident oder die eID einsetzen, nutzen zwei Drittel der von Capco befragten Banken noch das Video-Ident-Verfahren.

 

Verbesserung des Kundenerlebnisses durch die E2E-Betrachtung von Teilprozessen

Mehr als die Hälfte der von Capco im Rahmen der diesjährigen Kreditstudie befragten Banken geben an, dass ihr Kreditbearbeitungsprozess nicht ausreichend digitalisiert ist. So bieten 50 Prozent der befragten Banken ihren Kunden noch keine digitale Signatur für den Vertragsabschluss an. Ein digitalisierter Gesamtprozess – von der Beantragung bis zur Bestandsverwaltung - ist jedoch die Grundlage für eine schnelle Bearbeitung von Kundenanliegen, die laut der aktuellen Befragung für über 90 Prozent der befragten Bankkunden wichtig ist.

In Gesprächen mit Partnern und bei der gemeinsamen Analyse der entsprechenden Kreditprozesse stellen Capco und Younited regelmäßig fest, dass Teile des Kreditprozesses bereits sehr gut digitalisiert und automatisiert sind. Allerdings liegt nur selten ein End-to-End (E2E) digitalisierter Kreditprozess vor, der z. B. das Kundenbedürfnis nach einer schnellen Kreditentscheidung erfüllen kann (Ergebnis 1 der aktuellen Studie). Um Bearbeitungszeiten zu reduzieren, ist eine durchgängige Betrachtung des Gesamtprozesses anhand definierter Kennzahlen notwendig. Dieser Ansatz soll das Kundenerlebnis in den Mittelpunkt stellen, um beispielsweise die Abbruchquoten im Antragsprozess zu reduzieren.

Dabei beginnt die E2E-Betrachtung des Kreditprozesses mit der Auswahl der richtigen Key Performance Indicators (KPIs). Um eine hohe Kundenzentrierung zu erreichen, sollten die KPIs nach Möglichkeit eine Außenperspektive einnehmen – zwei Beispiele:

  • Dauer zwischen dem Start der Kreditbeantragung und der Kreditauszahlung
  • Dauer zwischen einer Kundenanfrage und ihrer vollständigen Beantwortung

Durch diese Betrachtungsweise rücken neben der Optimierung der einzelnen Teilprozesse (Stichwort Productization) die Nahtstellen zwischen den einzelnen Prozessen ebenso in den Fokus. KPIs sollten sich daher stets an zentralen Kundenbedürfnissen orientieren.

Um konkrete Handlungsfelder für einen verbesserten Prozess abzuleiten, lassen sich unter den KPIs weitere Performance-Indikatoren subsumieren, die relevante Teilprozesse zu Handlungsclustern zusammenfassen. So können Verbesserungen an den beschriebenen Nahtstellen strukturiert angegangen werden und erfolgreich abgeschlossen werden.

Bigtech-Unternehmen wie Apple oder Amazon erreichen eine sehr hohe Kundenzentrierung, indem sie das Kundenerlebnis durch die Wahl entsprechend relevanter KPIs konsequent in den Mittelpunkt stellen.

Fintechs wie Younited, die in der Absatzfinanzierung mit Bigtechs zusammenarbeiten, sind es gewohnt eine kundenzentrierte Denkweise in die Produktorganisation zu übertragen und die erzielten Erkenntnisse und Erfahrungen im Kreditgeschäft anzuwenden. Damit die Kunden die gleiche User Experience (UX) erleben, die Sie von den Bigtech-Apps gewohnt sind, müssen auch die Finanzdienstleister ein ähnlich kundenzentriertes Mindset entwickeln.

 

Fazit

Als Brücke zwischen der oft noch konservativen Kreditwelt und modernen Bigtechs können viele Fintechs wertvolle Technologie- oder Produktlieferanten für Banken sein, wenn diese das Tempo der Verbesserung des Kundenerlebnisses im Kreditgeschäft erhöhen möchten. Potenziale hierzu können entlang der gesamten Kreditwertschöpfungskette im Rahmen einer Konzeptstudie identifiziert werden, in der neben einer Potenzialanalyse bereits eine Vorauswahl möglicher Fintech-Partner sowie eine Umsetzungs-Roadmap erstellt wird.

 

Ausblick: In einem weiteren Blogbeitrag werden Capco und Younited ihre praktischen Erfahrungen zu den Erfolgsfaktoren für funktionierende Partnerschaften zwischen Banken und Fintechs im Kreditgeschäft teilen.

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