COVID-19: AUCH FÜR ANTI FINANCIAL CRIME-FUNKTIONEN EIN ECHTES RISIKO

COVID-19 : AUCH FÜR ANTI FINANCIAL CRIME-FUNKTIONEN EIN ECHTES RISIKO

  • Enrico Aresu, Carsten Hahn
  • Published: 04 May 2020


Hier beginnt unsere mehrteilige Blogserie über die aktuellsten Entwicklungen rund um Compliance, Regulatorik und Technologie: Teil I informiert Sie über Finanzkriminalität/Anti Financial Crime (AFC) in Zeiten der Pandemie – und was Banken jetzt beachten sollten.

Die andauernde Corona-Situation beeinflusst jeden Aspekt unseres Lebens und der Wirtschaft, einschließlich Banken und deren Funktionen zur Bekämpfung von Finanzkriminalität. Dieses Thema ist und bleibt während der aktuellen Krise jedoch wichtiger denn je – weil die Finanzkriminalität diese beispiellose Situation ausnutzt.

Es zeigt sich, dass Corona mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht nur eine Phase ist, sondern eine neue Realität. Auch wenn diese neue Realität möglicherweise nicht so zerstörerisch ist wie in ihren ersten Tagen, hat sie dennoch genug Kraft, um viele Geschäftsmodelle insbesondere die digitalen stark voranzutreiben. 

Hier möchten wir eine Auswahl zentraler Auswirkungen und Erkenntnisse aufzeigen, auf die Banken und Institute jetzt reagieren sollten.

AUSWIRKUNGEN DER CORONA-KRISE AUF AFC-FUNKTIONEN

  • Entstehung neuer verdächtiger Muster: Finanzkriminalität pausiert auch in Krisenzeiten nicht – im Gegenteil neue Muster werden entwickelt, um von der Außergewöhnlichkeit der Situation zu profitieren.
  • Anstieg der »False Positives«: Aufgrund des Lockdowns sind die Transaktionsaktivitäten der Gastronomie und des Einzelhandels stark reduziert, während Aktivitäten wie Bargeldauszahlungen das Gegenteil erfahren (viele Menschen sichern sich aus Sorge vor den wirtschaftlichen Auswirkungen mit mehr Bargeld ab). Massenverhaltensänderungen wie diese können »Alerts« auslösen.
  • Mitarbeiterzahl: Viele Finanzinstitute mussten in den letzten Wochen an einigen Standorten eine deutliche Reduzierung der Mitarbeiter vor Ort verzeichnen. Das wirkt sich negativ auf ihre Kapazität aus, um Alerts in Anbetracht der aktuellen Umstände zu bearbeiten.
  • Organisation: AFC-Teams, die normalerweise vor Ort sind, arbeiten aktuell von zu Hause aus. Auch wenn mehr als 90 % der Finanzinstitute in der Lage sind, ihre Mitarbeiter entsprechend auszurüsten, wirkt sich die mangelnde organisatorische Flexibilität auf die Effizienz aus.
  • Mögliche Lockerung der Sanktionslisten (z.B. Iran – Russland): Berichten zufolge unterstützt Russland während der Pandemie den Iran mit medizinischer Ausrüstung. In Krisen wie der aktuellen wenden sich Länder ganz natürlich an ihre Verbündeten. Dabei ist es wichtig zu verstehen, wie sich die Sanktionslandschaft entwickelt. Einige dieser Transaktionen könnten aus humanitären Gründen zugelassen werden, auch wenn sanktionierte Länder beteiligt sind.
  • Corona-Notkredite:  Zur Unterstützung der Wirtschaft stellt die Bundesregierung dem Markt spezielle Darlehen zur Verfügung, die schnellstmöglich vergeben werden müssen. Dieser Umstand führt dazu, dass ein möglicher Rückstand im Zusammenhang mit AFC-Kontrollen entstehen könnte, der später abgearbeitet werden muss.

ERSTE ERKENNTNISSE AUS DER KRISE

  • Rolle von Governance und Technologie: Einige Banken sind für schnelle Änderungen an Transaktionsüberwachungssystemen gut ausgestattet, andere dagegen nicht. Es ist wichtig festzuhalten, was als neue Normalität in Bezug auf Kundenaktivitäten angesehen wird. Nur so kann sichergestellt werden, dass AFC-Analysten klare Anweisungen erhalten und einem definierten Standard folgen.
  • Priorisierung der Alerts und Schwellenwerteinstellungen (statt Alerts auszuschalten): Banken sollten ihre Flexibilität erhöhen, um alle Alerts einzusehen und zu überprüfen. Der Schlüssel liegt in der Priorisierung anhand von Typen, die zu »True Positives« führen (möglicherweise mit paralleler Einsetzung von Machine Learning).
  • Nachprüfung des risikobasierten Ansatzes: Aus organisatorischer Sicht bedeutet das, die Workforce unterschiedlich zu verteilen und (scaled) agile Methoden einzuführen.
  • AFC-Framework: Durch ein effizientes AFC-Frameworks lassen sich Transparenz und Effizienz bei Finanzinstituten verbessern. Banken müssen nicht nur ihre täglichen Aktivitäten bewältigen, sondern auch die gestellten Aufgaben der Aufsichtsbehörden. Die Frage, die gestellt werden muss: Welche Aufgaben können zunächst zurückgestellt werden?
  • Offener Dialog mit Regulatoren und anderen Betreibern: Alle Beteiligten sollten einen offenen Dialog führen. Banken und ihre Compliance-Teams müssen die Entwicklungen genau beobachten und mögliche Auswirkungen auf ihre Prozesse und Systeme bewerten, um sicherzustellen, dass sie immer auf dem aktuellsten Stand sind.
  • Interne Audit-Funktionen (Vergabe von Corona-Notkrediten): In dieser außergewöhnlichen Phase wurden einige AFC-Aktivitäten angepasst. Diese Änderungen wirken sich teils stark auf den risikobasierten Ansatz einer Bank aus. Eine solide Prüfungsfunktion muss Banken dabei unterstützen, die Rückverfolgbarkeit und Transparenz der Entscheidungskette zu verbessern und gleichzeitig übermäßige zukünftige Nacharbeits- und Ermittlungsaktivitäten zu reduzieren bzw. zu vermeiden.

FAZIT

Finanzinstitute wissen, dass die Situation, die als Krise begann, zu einer neuen Normalität werden kann. Daraus folgt: Abwarten ist keine Lösung, sondern Betriebsprozesse müssen angepasst werden, um Geschäftsmodelle neu zu definieren und umzugestalten.

Die Corona-Krise kann für viele Banken eine Chance darstellen, ihr AFC-Programm ganzheitlich zu betrachten und dessen strategische Rolle zu überdenken – Resilienz und Nachhaltigkeit waren noch nie so wichtig wie jetzt.

Sie wünschen sich einen persönlichen Austausch mit uns? Unsere Experten sind für Sie da. 

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